Enja Rösseling für Paris nachnominiert
- Kategorie: Olympische Spiele
- Veröffentlicht: Donnerstag, 25. Juli 2024 17:09
- Geschrieben von Ute Freise
Olympia 2024: Essenerin qualifiziert sich in letzter Sekunde (waz.de)
Für Enja Rösseling von der KG Essen erfüllt sich nun doch noch in letzter Minute der große Traum von einer Olympiateilnahme
Mit Berg- und Talfahrten dürfte sich Enja Rösseling nun so richtig auskennen. Denn die 21-jährige Kanutin von der KG Essen hat auf sportlichem Sektor in den zurückliegenden Monaten so einige Auf- und Abs erlebt. Den Eifelturm und Paris nicht nur als Touristin zu erleben, sondern an den Olympischen Spielen teilzunehmen, das war der große Traum.
Schon im Vorjahr hatten die fünf olympischen Ringe ihren Schatten vorausgeworfen bei der Heim-WM der Kanuten auf der Duisburger Wedau, ging es da doch um die sogenannten Quoten- sprich Startplätze der Verbände in Paris. Und Enja hatte dem Deutschen Kanu-Verband mit dem Viererkajak tatsächlich vier wichtige Startplätze gesichert. Daraufhin in den Olympiakader des DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) berufen, hatte sie sich eine gute Ausgangsposition für dieses Jahr verschafft.
Bei den anstehenden nationalen Sichtungen des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) aber werden die Karten immer neu gemischt. Und direkt musste Enja einen Rückschlag verkraften. Gesundheitlich angeschlagen, konnte sie nicht an den Start gehen. Der Druck war groß, zur zweiten und abschließenden Sichtung nur zwei Wochen später so richtig abliefern zu müssen. Mit einem Sieg im 500m-Einerkajak schaffte sie es tatsächlich, sich wieder ins Gespräch zu bringen. Rund 100 Tage vor Paris war Enja wieder im Rennen um eine Fahrkarte nach Paris. Und die waren nur spärlich zu vergeben. Denn im Kajak-Damenbereich (wie auch bei den Herren) können nur maximal sechs Aktive in den Zug nach Paris steigen! Nicht nur bei Enja war zu diesem Zeitpunkt das Lächeln zurückgekehrt; sondern auch bei Joaquin Delgado, Damentrainer am Essener Bundesstützpunkt. „Dieses Mädel ist einfach unfassbar, was sie so alles leisten kann“.
Durch das fehlende Ergebnis bei der ersten Sichtung stand dann aber ein verbandsinternes Ausscheidungsrennen in Kienbaum an – da galt es, sich auch gegen Vereinspartnerin Caroline Arft und die Karlsruherin Gesine Ruge durchzusetzen. Wieder eine Situation mit viel Druck, die Enja als Siegerin für sich meistern konnte. Sie wurde für den Weltcup in Posen als internationale Olympia-Qualifikationsmöglichkeit nominiert; Paris schien näher zu rücken! Ihre Platzierung im B-Finale war sicher nicht optimal, angesichts der gesundheitlichen Probleme im Vorfeld aber sicher auch erklärbar. Es war davon auszugehen, dass sie die sechste Frau im Olympiateam sein würde. Die anschließend große Ernüchterung folgte nach der Anreise ins DKV-Trainingslager in München. Denn dort erfuhr sie, dass dem Antrag des DKV, einen Startplatz aus dem Kajak-Damenbereich in den Canadier-Damenbereich umzulagern, stattgegeben wurde. „Paris ade“ hieß es da für Enja Rösseling. „Die Enttäuschung war natürlich groß und das musste ich vor Ort erst einmal verdauen und eine Nacht drüber schlafen“, so Enja Rösseling. Ihre Entscheidung fiel dann in Absprache mit dem Verband. Nicht die Möglichkeit der Nominierung als Ersatzfahrerin mit Unterbringung in Paris außerhalb der Mannschaft und des Olympischen Dorfes sowie Abreise zum Zeitpunkt des erstes Startets zu wählen. „Die Vorbereitung mitzumachen, dann aber nicht dabei zu sein und abzureisen, wenn es losgeht, das war schon schwer vorstellbar“. Alternativ bot sich die Möglichkeit, an der U23-WM teilzunehmen. „Und dann wollte ich mich doch eher darauf konzentrieren“, hatte Enja nach einer Nacht die Entscheidung gefällt. Alles in allem aber wieder ein Wechselbad der Gefühle innerhalb nur weniger Wochen.
Doch damit nicht genug. Gerade erst ergab sich mitten in der Vorbereitung auf die U23-WM in Duisburg die nächste Wende. Da bat sie Joaquin Delgado (betreuender Damentrainer) zu einem Gespräch mit dem DKV-Sportdirektor Dr. Jens Kahl. „Und ich dachte schon, oh je, was ist nun?“, erzählte Enja einen Tag später. Nicht jubelnd wohlgemerkt, sondern offensichtlich immer noch etwas ungläubig. Denn ihr wurde mitgeteilt, dass einige Verbände (in diesem Fall Belarus) Startplätze zurückgegeben hätten, von denen der DKV ganz oben in der Nachrückerliste stehend profitiert hätte. „Da hat mich Dr. Kahl gefragt, ob ich nachnominiert werden und in Paris im 500m-Einer an den Start gehen möchte?“ Was für eine Frage. „Natürlich habe ich ja gesagt. Ich hätte nie damit gerechnet, dass ich noch so eine Chance bekomme“, konnte Enja Rösseling all das nächste Wechselbad der Gefühle noch nicht so richtig realisieren.
Und direkt stand für sie die nächste Entscheidung an: Teilnahme zuvor an der U23-WM ja oder nein? Auch hier wurde eine Lösung gefunden. Da nicht nur ein Start von Enja im Einer, sondern auch Zweier bei der U23-WM vorgesehen ist, geht sie nächste Woche zunächst dort an den Start. Um anschließend mit wenigen Tagen Verspätung zur Olympiamannschaft zu stoßen und sich auf Paris vorzubereiten.
Keine Frage, dass sich viele nicht nur aus dem Essener Kanulager für Enja gefreut haben. Für die die lange Berg- und Talfahrt nun mit einer Bergfahrt und dem erfüllten Traum von einer Olympiateilnahme endet.